Offener Brief: „Exen bleiben“ – Ihre bildungspolitischen Aussagen in Kloster Banz
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
der Bayerische Elternverband e. V. (BEV) ist über Ihre bildungspolitischen Äußerungen während der CSU-Fraktionsklausur in Kloster Banz entsetzt. Mit Ihrer Aussage, „Exen und Abfragen werden natürlich bleiben“, haben Sie unser Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat abermals schwer beschädigt. Solche Aussagen unterminieren den zur Verbesserung des Bildungssystems notwendigen Diskurs.
Wir begrüßen den neuen Dialogstil im Kultusministerium. Der offene und tabufreie Austausch mit Experten und Verbänden ist überfällig, um den über Jahrzehnte angehäuften Reformstau in der Bildungspolitik anzugehen. Der angekündigte Dialog zur Zukunft von Prüfungen und Tests wäre ein wichtiger Schritt gewesen, um gemeinsam Lösungen zur Sicherung der Bildungsqualität zu erarbeiten. Diesen Prozess haben Sie mit Ihrer Intervention zunichte gemacht.
Bereits bei der Grundschulreform, der sog. „PISA-Offensive Bayern“, haben Sie mit Ihrem Machtwort zum Religionsunterricht die Bemühungen um echte Qualitätsverbesserungen im Unterricht bestenfalls behindert. Verbände und Experten, die mit Vorschlägen und Engagement zur Dialogrunde anreisten, mussten feststellen, dass das Ergebnis bereits im Vorfeld Ihrer Regierungserklärung feststand – ohne Raum für echte Entwicklung. Diese bloße Simulation von Mitwirkung entwertet das Engagement von Experten, Verbänden und der Zivilgesellschaft mit verheerenden Folgen für die Bildungspolitik und die Motivation aller Beteiligten.
Sie entscheiden in zentralen Bildungsfragen offensichtlich im Alleingang, ohne Konsultation von Fachleuten und Experten und über die Fachministerin hinweg. Die programmatische Arbeit der zuständigen Ministerin wird zur Farce und die Bildungsqualität kann nicht sichergestellt werden, wenn fachlicher Rat und wissenschaftlich fundierte Entscheidungen ignoriert werden. Dies hat langfristige Konsequenzen für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Bayern.
Mit dieser Eigenmächtigkeit verstoßen Sie gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Staatsregierung (Art. 51 Abs. 1 BV). Besonders problematisch ist, dass Sie das Petitionsrecht (Art. 115 BV) untergraben, indem Sie in die für die Behandlung der Petition „Schluss mit Abfragen und Exen!“ erforderlichen Verfahren (Art. 4 Abs. 1 BayPetG) eingreifen und so der Entscheidung des Bayerischen Landtags über diese Petition vorgreifen.
Ihr Verhalten ist nicht mit den demokratischen Werten vereinbar, die Sie Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Verfassungsviertelstunde nahebringen wollen – vielmehr erinnert es an veraltete, absolutistische Entscheidungsstrukturen. Wir fragen uns, ob demokratische Grundsätze und Verbindlichkeit des Rechtssystems in Bayern schleichend zu Potemkinschen Dörfern verkommen. Mit diesem Stil befeuern Sie Politikverdrossenheit und bremsen zivilgesellschaftliches Engagement. Bereits Kinder fühlen sich von der Politik vernachlässigt, wie der aktuelle Kinder- und Jugendbericht konstatiert. Dieser Vertrauensverlust der Bürger in Demokratie und Rechtsstaat ist Futter für all jene, die Angst und Zweifel säen und die freiheitlich-demokratische Ordnung abschaffen möchten.
Somit fordern wir Sie auf: Machen Sie den Weg frei für die dringend benötigten Reformen in der bayerischen Bildungspolitik! Der BEV ist bereit, zusammen mit weiteren engagierten Akteuren unter Federführung des Kultusministeriums an einer wissenschaftlich fundierten Weiterentwicklung der Schulqualität zu arbeiten. Eine produktive Test- und Feedback-Kultur sowie die effektive Förderung von Basisfähigkeiten sind entscheidende Maßnahmen, um das bayerische Bildungssystem zukunftsfähig zu machen und somit den Wirtschaftsstandort Bayern zu sichern.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Löwe, Landesvorsitzender