Fachtagung „Activation is the Key“: Innovation und Realität im Schulalltag verbinden
Würzburg – Lernen ist nichts, das so einfach passiert. Forscherinnen und Forscher entdeckten: „Man lernt am besten, wenn man aktiv ist, viele Sinne benutzt und sich ganzheitlich anstrengt. Dann tut sich im Gehirn was.“ Aber wie kann man diese Erkenntnisse im Schulunterricht anwenden?
Die Fachtagung „Activation is the Key“ brachte an den Graduate Schools der Universität Würzburg Bildungsforschende, Lehrkräfte, Schüler und Studierende sowie Eltern zusammen, um vor dem Hintergrund neurobiologischer und kognitionspsychologischer Erkenntnisse Lernstrategien zu diskutieren – und kritisch zu hinterfragen. Der Bayerische Elternverband (BEV) führte die pädagogische Tagung erstmals gemeinsam mit der Universität durch, denn nicht nur Lehrkräfte, sondern auch Eltern interessiert, wie sich Unterricht verbessern lässt – und was zu Hause beim Lernen wirklich hilft.
Aktives Lernen als Schlüssel für ein besseres Behalten!
Nach einer kurzen Begrüßung begann direkt der erste Vortrag. Warum bleiben manche Inhalte haften, während andere schnell verblassen? Prof. Dr. Magdalena Abel erklärte in ihrem Vortrag zu Retrieval Practice: Menschen lernen besonders gut, wenn man versucht, ohne Hilfe Gelerntes wiederzugeben. Für diese Lernmethode gibt es aktuell in der Schule zu wenig Raum. Dabei hilft genau dieser Selbsttest, dass man das Wissen lange behält.
Sebastian Schmidt ist Realschullehrer und kennt sich gut mit digitalen Medien aus. Dieses Wissen gibt er Lehrkräften mit seinem „Flipped Classroom“-Konzept weiter. Die Schüler lernen zu Hause mit Videos, in der Schule wird geübt und diskutiert – also in die Tiefe gegangen. So wird die Unterrichtszeit besser genutzt. Aber ohne Disziplin und technische Grundausstattung funktioniert das nicht.
Prof. Dr. Anne Sliwka ist eine deutsche Bildungswissenschaftlerin und Professorin für Schulpädagogik an der Universität Heidelberg. Sie setzte mit Deeper Learning auf eine weitere Methode: Statt nur auswendig zu lernen, sollen Schülerinnen und Schüler besser durch echtes Verstehen und Erkennen von Zusammenhängen lernen.
Oliver Kunkel, Gymnasiallehrer und im BEV Leiter des Sachgebietes „Nachhaltiges Lernen“, zeigte in seinem Vortrag: Aktivierung ist mehr als nur klassische Methoden wie Fragen stellen oder Tafelarbeit. Wenn man den Körper einbezieht – zum Beispiel durch Bewegung, Handarbeit oder Modelle zum Anfassen und Anschauen – wird Lernen lebendiger. So lassen sich schwierige Inhalte besser verstehen. Besonders in Mathe, beim Lesen und in den Naturwissenschaften hilft es, wenn viele Sinne mitlernen und verschiedene Bereiche im Gehirn gleichzeitig aktiv sind. Trotzdem arbeiten Schulen hauptsächlich mit Arbeitsblättern und Texten. Das ist ein Problem – und diesen Unterricht zu ändern, eine Aufgabe für die Zukunft.
Internationale Einblicke kamen von Tatjana Kajala, die aus Finnland via Live-Schaltung berichtete, wie dort Phänomen-basiertes Lernen mit Virtual Reality, europäischer Kooperation und nachhaltigen Projekten praktisch umgesetzt wird. Ähnlich arbeiten Schülerinnen und Schüler der Walther-Rathenau-Schulen in Schweinfurt: Im ‘FutureLab’ entwickeln sie – so Oliver Kunkel, der Gründer – mit Universitäten und Wirtschaftspartnern innovative Lösungen für Stadtbegrünung, nachhaltige Landwirtschaft und schwimmende Photovoltaik in Ghana.
Aber nicht alles Neue ist automatisch besser. Der Hirnforscher Prof. Dr. Martin Korte warnte davor, digitale Medien einfach so einzusetzen – ohne nachzudenken. Wer zu viel Zeit vor Bildschirmen verbringt, kann sich schlechter konzentrieren. Außerdem kann es so wirken, als würde man viel lernen – obwohl das gar nicht stimmt. Wichtig ist, digitale Hilfsmittel gezielt zu nutzen: Sie sollen das Lernen wirklich verbessern – und nicht nur da sein, weil sie modern sind.
Wissenschaft trifft Praxis
Die Vorträge konnten auch online verfolgt werden. Aber nur vor Ort gab es exklusive Workshops, Experimente und Diskussionen. Besonders die Lehrkräfte nutzten diese Angebote, um gemeinsam nachzudenken: Was heißt das für meinen Unterricht? Und was kann ich direkt am Montag in der Schule umsetzen?
Besonders spannend war der Workshop von Dr. Barbara Händel. Mit speziellen Brillen zeigte sie: Das Gehirn arbeitet viel aktiver, wenn man Vokabeln abruft – vor allem mit Bewegung – statt sie nur zu lesen oder zu wiederholen. Sebastian Schmidt zeigte, wie Künstliche Intelligenz weniger beim Abschreiben als vielmehr beim Lernen helfen kann. KI-Tutoren passen sich an – sie merken, was jemand schon kann und was noch geübt werden muss. Aber es gab auch Diskussionen: Wie schützt man die Daten der Lernenden? Und was passiert mit der Rolle der Lehrkräfte, wenn KI immer mehr übernimmt?
Das Ergebnis: Eine Agenda für bessere Bildung?
Die Fachtagung war mehr als eine Sammlung neuer Ideen – sie zeigte, wie es um Schule heute steht. Viele pädagogische Konzepte und Lernmethoden haben Potenzial, stoßen aber auch an Grenzen: zu wenig Zeit, zu volle Lehrpläne, fehlende Technik, falsches Leistungsverständnis und starre Prüfungen. Doch der Anspruch des BEV und der Tagung war: Hier soll es nicht aufhören. Die Vorträge und Workshops sollen ein Startpunkt für echte Veränderungen sein. Damit Lernen besser zum Gehirn passt, müssen Wissenschaft, Schulen, Politik und Verwaltung enger zusammenarbeiten – und ins Handeln kommen. Deshalb entstand als Tagungsergebnis auch ein Forderungspapier, mit dem, was sich jetzt ändern lässt und wo die Politik ihre Ohren aufsperren soll.
Die Tagung war kein reines Wissensbuffet – sie war ein Zusammenkommen der ganzen Schulfamilie. Alle hatten ein gemeinsames Ziel vor Augen: die Kinder. Es ging darum, die Ärmel hochzukrempeln, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam Bewegung in die Schule zu bringen. Das bayerische Schulsystem bietet viele Chancen – doch es braucht mutige Lehrkräfte und Schulleitungen, die den Wandel bei sich selbst beginnen. Nur dann gelingt es uns, das zu verändern, was heute in den Schulen nicht gut läuft, und Kinder stark zu machen für eine Zukunft, die wir noch nicht kennen.
Der Bayerische Elternverband steht allen Eltern in Bayern offen. Er ist gemeinnützig und an keine Konfession, politische Partei oder Schulart gebunden.
Bei Fragen zu dieser Pressemitteilung wenden Sie sich bitte an
Oliver Kunkel, Sachgebietsleiter Nachhaltiges Lernen
oliver.kunkel@bev.de
Tel.: +49 9524 300075
www.bev.de




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