Bayerischer Elternverband zur PISA-Studie
Der Bayerische Elternverband (BEV) ist hochgradig um die Zukunft unserer Gesellschaft besorgt – wegen der Ergebnisse der gestern veröffentlichten PISA-Studie, noch mehr aber wegen der Reaktionen darauf. Noch vor 22 Jahren löste die erste PISA-Studie einen Schock in unserer Gesellschaft aus, infolge dessen umfangreiche Bemühungen zur Verbesserung des Bildungssystems unternommen wurden. Heute - bei noch schlechter attestierten Ergebnissen - erklären Bildungspolitikerinnen und -politiker sowie Fachleute aus Wissenschaft und Praxis, man habe nichts anderes erwartet.
Dass die Ursachenforschung für die katastrophalen Ergebnisse mit dem Ausmachen der Folgen der Corona-Pandemie und eines zunehmenden Anteils nicht deutschsprachiger Schülerinnen und Schüler weitgehend für beendet erklärt wird, erzürnt den BEV genauso wie die reflexartigen Rufe nach einer Fokussierung auf die Basiskompetenzen. Lesen und Rechnen zu können sei wichtig, erklärt Martin Löwe, der Landesvorsitzende des BEV, es sei aber nur die Grundvoraussetzung, damit Bildung überhaupt stattfinden könne. Bildung umfasse neben der Wissensaneignung auch die Entwicklung der Persönlichkeit. Angesichts zunehmender Radikalisierung von Teilen unserer Gesellschaft sei Wissen das einzige Mittel, die Wirklichkeit erkennen und Zusammenhänge verstehen und somit Fakten und Meinungen unterscheiden zu können. Zu wissen, wer man ist und was man kann, befähige junge Menschen zudem, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Letzteres verhindere ein System jedoch, das anhand festgestellter Defizite Schülerinnen und Schüler bewertet. „Hierdurch wird nicht Lernlust, sondern Lernfrust erzeugt“, ist sich Löwe sicher.
Die natürliche Neugier und somit Lernlust ist dem Menschen angeboren. Zudem bestätigt die Hirnforschung, dass selbst Erarbeitetes und als nützlich Erfahrenes nachhaltiger gelernt wird. „Genau hierfür aber ist angesichts überfüllter Lehrpläne, mangelnder Ressourcen in unseren Schulen und gestresster Eltern zu wenig Platz. So schaffen wir es, Kindern schon zu Beginn ihrer Schulkariere die Lust am Lernen auszutreiben. Die Folgen sind eine hohe Quote an Schulabbrechern, Studienanfänger, die unmittelbar nach bestandener Abi-Prüfung bereits einen Großteil des Gelernten wieder vergessen haben, sowie die PISA-Ergebnisse. Dies alles ist Ausdruck eines beispiellos ineffizienten Schulsystems“, konstatiert Löwe.
Die PISA-Studie untersucht auch Emotionen, Motivationen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Schülerinnen und Schüler. Demnach ist lediglich ein gutes Drittel am Matheunterricht interessiert und knapp die Hälfte empfindet Müdigkeit während des Unterrichts. Hierin sieht der BEV den deutlichsten Hinweis auf die Ursachen: „Wenn die jungen Menschen mathematische Erkenntnisse nicht auch an praktischen Projekten anwenden, wenn sie keine smarten und gehirngerechten Trainingsmethoden entwickeln, wenn ihnen niemand erklärt, warum sie z. B. den Satz des Pythagoras lernen sollen, was er ihnen fürs Leben bringt, dann tun sie dies allenfalls pflichtgeschuldet, aber nicht nachhaltig“, erklärt Löwe.
Bisher galt Bildung als Schlüssel für Wohlstand und dieser als erstrebenswert. Doch sehen Jugendliche ihre Vorbilder zunehmend in den Personen mit den höchsten Klickzahlen, z. B. Influencern, die selbst noch ohne Schulabschluss scheinbar Millionen verdienen können. „Hier stellen sich Jugendliche zurecht die Frage, warum sie sich mit Schule herumquälen sollen, wenn sie auch ohne Bildungsabschluss reich oder berühmt werden könnten“, meint Löwe. Schule müsse somit plausibel die Frage beantworten können, wozu es Bildung bedarf und wie wichtig sie heutzutage noch ist.
Entgegen den wohlklingenden Versicherungen in Sonntagsreden zeugten laut Löwe marode Schulbauten, fehlende Lehrkräfte und -mittel von tatsächlich geringer Wertschätzung der politisch Verantwortlichen gegenüber der allgemeinen Bildung. Lediglich sog. Leuchtturmprojekte höben sich hiervon ab. Die PISA-Studie belege zudem abermals mit dem Blick auf sozioökonomische Unterschiede den Weg in ein faktisches Zwei-Klassen-Bildungssystem. „Dies ist für uns nicht akzeptabel!“, interveniert Löwe, „nicht nur, weil das Recht auf Bildung für alle Menschen gleichermaßen gilt und jeder Mensch eine wertvolle Ressource darstellt, sondern auch weil Bildung für ein friedliches Zusammenleben unabdingbar ist.“ Es bedürfe keiner bloßen Förderung der basalen Kompetenzen, sondern des Neudenkens eines flexiblen, leistungsfähigen und chancengerechten Bildungssystems – von der frühkindlichen Bildung bis zum Hochschulabschluss. Dies könne nur im Zusammenwirken von Vertreterinnen und Vertretern aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis und uns Eltern gelingen. Bei der Umsetzung dürfe nicht gegeizt werden. „Es muss sofort begonnen werden! Ein „Weiter so!“ oder Aufschieben käme der bedingungslosen Kapitulation unserer Gesellschaft gegenüber Extremisten und Populisten gleich“, mahnt Löwe.
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Der Bayerische Elternverband steht allen Eltern in Bayern offen. Er ist gemeinnützig und an keine Konfession, politische Partei oder Schulart gebunden.
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Martin Löwe
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