Bayerischer Elternverband zum Zeugnistag: „Welche Leistung bewerten wir?“

Erstellt von Martin Löwe | | Information

Bayern – Morgen ist es wieder so weit: es gibt Jahreszeugnisse – und damit beginnt eine verdiente Sommerpause für über 1,6 Millionen Schülerinnen und Schüler. Dass der bayerische Ferienstart medial für Diskussionen sorgt, ist aus Sicht des Bayerischen Elternverbands (BEV) ein klassisches Sommerloch-Thema. „In einer Zeit, in der unser Bildungssystem unter enormem Reformdruck steht, wirkt diese Debatte wie eine Nebelkerze“, sagt Martin Löwe, der Landesvorsitzende des BEV.

Lehrkräftemangel, unzureichende Betreuungsangebote, Sprachprobleme, schwindende Basiskompetenzen, wachsende Bildungsungerechtigkeit, Scheininklusion, marode Schulgebäude, besorgniserregende Schüler- wie Lehrergesundheit und pathologische Veränderungsverweigerung seien laut Löwe die dringlichen Handlungsfelder. Zwar sei erfreulich, dass seitens der bayerischen Schuladministration mit der ganzen Schulfamilie über Leistungsmessung und neue Unterrichtsformen für nachhaltiges Lernen gesprochen werde, diese Diskussionen dürften aufgrund der Basta-Politik der Staatsregierung aber nicht zu bloßen Alibiveranstaltungen verkommen.

Löwe sieht die momentane Diskussion um Leistung und Leistungsmessung in der Schule zu sehr orientiert an den eigenen Erfahrungen der politischen Akteure, Leistung wird gefordert nach der Prämisse „uns hat das auch nicht geschadet“. Das bayerische Schulsystem produziere aber mit seiner Fixierung auf Druck, defizitorientierte Bewertung, Bloßstellung und Angst zu viele „Schulversager“. Löwe rät deshalb, den Blick darauf zu richten, welche Leistung von jungen Menschen tatsächlich in Beruf und Gesellschaft erwartet wird. Weit mehr als Faktenwissen seien Kreativität, Team- und Problemlösefähigkeit die Schlüsselkompetenzen unserer Zeit. Die dafür notwendige Förderung der individuellen Begabungen und Stärkung der Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler kommt Löwe in der Debatte viel zu kurz. Stattdessen wundert er sich, dass Bayern sich das Aussortieren und Abstempeln von jungen Menschen angesichts des Fachkräftemangels weiter leisten möchte.

Auch das Sitzenbleiben hält Löwe für aus der Zeit gefallen. Es diene nachweislich nicht zur Leistungsverbesserung und sei volkswirtschaftlicher Unsinn. „Was nützt es dem Schüler, zehn Fächer, in denen seine Leistung ordentlich war, noch einmal ein ganzes Jahr lang durchzukauen, nur weil er in Geschichte und Reli Lücken hat?“, fragt Löwe. Weil den Wiederholern scheinbar alles bekannt sei, nähmen sie den Unterricht nicht ernst, das führe oft zu einer Verschlechterung, typischerweise im Jahr nach der Wiederholung. Das Sitzenbleiben koste den Steuerzahler und die betroffenen Familien zudem viel Geld und schädige das positive Selbstwertgefühl des Schülers oder der Schülerin.

Der BEV plädiert für eine zukunftsfähige, faire und gesundheitsfördernde Leistungskultur, die immer wieder hinterfragt, was junge Menschen können müssen, um die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen und die Herausforderungen der Zeit meistern zu können. Zeugnisse sollten den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern in diesem Prozess helfen, durch detaillierte aber unmissverständliche Beschreibung den eigenen Entwicklungsstand einschätzen zu können. Sie dürfen nicht als Urteil über die Persönlichkeit verstanden werden. Rückschläge sind schließlich Teil des Lernprozesses. Wer sich verbessert hat, darf darauf stolz sein, und wer Schwierigkeiten hat, sollte ermutigt werden, weiterzumachen.

Wir wünschen allen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien erholsame Sommerferien – Zeit zum Kraftschöpfen, Spielen und Entdecken neuer Perspektiven außerhalb des Klassenzimmers. Ein Besuch im Museum, ein Spaziergang durch Bayerns Natur oder einfach ein Moment der Ruhe: All das ist Bildung. All das ist wertvoll.


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Der Bayerische Elternverband steht allen Eltern in Bayern offen. Er ist gemeinnützig und an keine Konfession, politische Partei oder Schulart gebunden.

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Martin Löwe, Landesvorsitzender
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