Bayerischer Elternverband zum Schulversuch „Eingangsstufe an vierstufigen Wirtschaftsschulen“

Erstellt von Daniela Orlamünder | | Information

Diese Woche verkündete Kultusministerin Anna Stolz die Erprobung der Wirtschaftsschule ab Klasse 5. Der Bayerische Elternverband (BEV) begrüßt den Schulversuch grundsätzlich. Wirtschaftsschulen bereichern das bayerische Schulangebot, und der Schulversuch erleichtert den Einstieg in diese Schullaufbahn. Die Evaluation des Schulversuchs müsse jedoch um einige kritische Punkte erweitert werden, fordert der BEV.

Wirtschaftsschulen bieten neben der allgemeinen Bildung eine vertiefte kaufmännische Grundbildung an. Damit ergänzen sie das bayerische Bildungsangebot in der Sekundarstufe 1 optimal für Kinder, deren Begabungen und Neigungen von Realschule und Gymnasium nicht passgenau gefördert werden. Insbesondere der verstärkte Praxisbezug wird von Schülerinnen und Schülern, deren Eltern und der Wirtschaft geschätzt. Schulwechsel werden jedoch von Kindern und Jugendlichen oft als belastend empfunden. „Die Möglichkeit, im Rahmen des Schulversuchs nun ohne den Umweg über eine weitere Schulart direkt von der Grundschule in die Wirtschaftsschule einsteigen zu können, schafft Entspannung für Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern und ist sicherlich das größte Plus des Schulversuchs“, freut sich Martin Löwe, der Landesvorsitzende des BEV.

Kritiker des Schulversuchs führen zuvorderst an, eine Wirtschaftsschule bereits ab Jahrgangsstufe 5 werde die Situation insbesondere kleiner Mittelschulstandorte verschlechtern, ferner werde die Bildungsungerechtigkeit verschärft und der Übertrittsdruck in der Grundschule weiter erhöht. Letzteres kann Martin Löwe nicht nachvollziehen: „Es bleiben den Schülerinnen und Schülern doch alle bisherigen Wege in die Wirtschaftsschule offen, und meist sind es die Eltern, die hier unnötig Druck erzeugen.“ Insofern sei eine gute und umfassende Information der Eltern im Rahmen der Schullaufbahnberatung der Grundschule wichtig. Das Argument der Bildungsungerechtigkeit ist für Löwe durchaus berechtigt: „Wenn die besten Mittelschüler auf die Wirtschaftsschule wechseln oder erst gar nicht in der Mittelschule aufschlagen, kommt das einer Homogenisierung der Mittelschülerschaft auf niedrigerem Niveau gleich. Allerdings sehe ich keinen gravierenden Unterschied zur jetzigen Situation.“

Um hier empirisch Klarheit zu schaffen, regt der BEV an, in die Evaluation des Schulversuchs folgende Fragestellungen aufzunehmen:

  • Wird der Übertrittsdruck durch die neue Übertrittsmöglichkeit verschärft?
  • Wie sehr steht die Wirtschaftsschule jeweils in Konkurrenz zu Mittelschule, Realschule und Gymnasium?
  • Hält die neue Übertrittsmöglichkeit Schülerinnen und Schüler von der Mittelschule fern?
  • Wie sehr ist der M-Zweig der Mittelschule von Abwanderung zur Wirtschaftsschule betroffen?
  • Wird die Schülerschaft noch mehr als bisher in sozial homogene Gruppen geteilt?

Der Schulversuch läuft bis zum Schuljahr 2027/2028 und wird durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung begleitend evaluiert. Jedoch klärt die Untersuchung bisher nur, ob es mit der Einführung der 5. Klasse gelingt, die Kinder im sprachlichen Bereich, in der ökonomischen und digitalen Bildung und im Fach Mathematik besser zu fördern, um sie auf die Anforderungen der Wirtschaftsschule vorzubereiten.

„Eines jedoch ist klar: Durch den Schulversuch werden weder die Folgen des Übertrittsdrucks noch die Ineffizienz eines selektierenden Schulsystems abgemildert. Als Bayerischer Elternverband fordern wir deshalb, dass sich das bayerische Schulsystem nicht über verschiedene Schularten definiert, sondern über die Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche individuell zu fördern. Folglich stehen wir allen Eltern offen, unabhängig von der Schulart. Unsere Mitglieder plädieren vehement für eine längere gemeinsame Schulzeit. Diese könnte zumindest im Rahmen von Gemeinschaftsschulen als ergänzendes Bildungsangebot in Bayern erprobt werden. Leider hat die Staatsregierung durch die kategorische Ablehnung dieses Gedankens im vergangenen Wahljahr abermals gezeigt, dass sie den Ernst der Lage hinsichtlich notwendiger Äderungen im Bildungssystem immer noch nicht begriffen hat. Der Schulversuch kann hierüber nicht hinwegtäuschen“, mahnt Löwe.

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Der Bayerische Elternverband steht allen Eltern in Bayern offen. Er ist gemeinnützig und an keine Konfession, politische Partei oder Schulart gebunden.

Bei Fragen zu dieser Pressemitteilung wenden Sie sich bitte an
Martin Löwe
Landesvorsitzender
martin.loewe(at)bev.de
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